Herr Moritz, Sie sagen, dass der Handel mit gefälschten Waren in manchen Bereichen Rekordzuwächse verzeichnet. Welches Ausmaß hat das Problem inzwischen erreicht?
Stefan Moritz: Das Problem weitet sich in der Tat immer mehr aus. Denn der Handel mit gefälschten oder kopierten Waren hat sich zu einem Milliardengeschäft entwickelt und macht mittlerweile zwischen 5 und 7 Prozent des Welthandels aus Tendenz steigend. Schon heute kosten die kriminellen Machenschaften Markenunternehmen mehrere hundert Milliarden Euro pro Jahr. Allein deutschen Herstellern entsteht durch den Handel mit gefälschten Markenprodukten jährlich ein Schaden von 50 Milliarden Euro . Der Online-Handel spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn durch die rasante Verbreitung des Internets und der globalen E-Commerce-Plattformen ist die Situation erst eskaliert. Statt an der Straßenecke ist der Verkauf gefälschter Waren längst auf globaler Ebene möglich. Marken-Piraten können jetzt sehr einfach und kostengünstig E-Commerce-Webseiten einrichten oder ihre Waren auf B2C- oder B2B-Plattformen anbieten. Online-Kriminelle nutzen zudem die Popularität von Marken, um auf andere Weise Geld zu verdienen. Etwa indem sie sich Internet-Domains sichern, die sich eng an den Namen bekannter Marken angelehnt sind, um so Internet-Besucher auf diese falschen Seiten zu locken. Häufig lenken sie auch über das Suchmaschinenmarketing Web-Traffic, der eigentlich auf Websites von Unternehmen oder Markeninhabern gehen sollte, auf ihre täuschend echt aussehenden Piratenseiten oder zocken mittels betrügerischen Internettraffic-Umleitungen ab. Zusehends missbrauchen sie Markennamen auch auf Social-Media-Plattformen. Diese Seiten werden häufig über soziale Netzwerke weiterempfohlen und sind über Suchmaschinen problemlos zu finden. Heute hat sich rund um den Handel mit gefälschten Markenartikeln eine professionelle Online-Supply-Chain etabliert, die durchaus mit legitimen Distributionskanälen vergleichbar ist.
Welche Branchen sind davon besonders betroffen?
Moritz: Diese Entwicklung betrifft nahezu alle Branchen, von Luxusgütern über Konsumgüter, Pharma- und Technologieprodukten bis hin zu Nahrungsmitteln. Dabei sprechen wir nicht nur über Marken großer Konzerne die Aktivitäten von Online-Fälschern können jedes Unternehmen treffen, ob groß oder klein. Und wer meint, weil er seine Waren nicht im Netz vertreibt, wäre die eigene Marke nicht gefährdet, irrt gewaltig. Denn Kriminelle können trotzdem Kopien der Markenprodukte online bewerben und zum Verkauf anbieten. Käufer wissen ja meist nicht, dass der Markenhersteller seine Produkte nicht online vertreibt. Uns allen muss bewusst sein: Cyber-Kriminalität ist kein kurzfristiges Phänomen, das wieder verschwindet. Diese Gefahren zu ignorieren oder einfach auf bessere Zeiten zu hoffen, ist keine Option.
Welche Auswirkungen haben die Fälschungen denn für den Markeninhaber? Geht es hier nur um Umsatzeinbußen?
Moritz: Für Unternehmen geht es natürlich auch um verlorene Umsätze und um eventuell abgewanderte Kunden. Darüber hinaus aber stehen Handelsbeziehungen sowie der Markenwert und die Marketingeffizienz auf dem Spiel. Denn es besteht die Gefahr, dass durch billige Plagiate der Wert und die Reputation der Marke nachhaltig leidet. Wenn ein Kunde meint, ein Markenprodukt erworben zu haben, aber mit einem günstigen Nachahmerprodukt schlechte Erfahrungen macht, ist er enttäuscht. Das zieht in erster Instanz Anforderungen an das Beschwerdemanagement und den Kundenservice nach sich. Denn wenn der Verbraucher nicht die Markenqualität erhält, die er erwartet, leidet die Kundenzufriedenheit. Von Haftungsrisiken mal ganz zu schweigen. Das schadet natürlich auch dem Image einer Marke erheblich. Solche Imageschäden können sogar dazu führen, dass sich Distributionspartner zurückziehen, wenn beispielsweise aufgrund der angebotenen Fälschungen die Nachfrage nach dem Original sinkt. Abgesehen davon können billige Plagiate Marken auch unter Preisdruck bringen. Auf Verbraucherseite verursachen gefälschte Produkte zunehmend Qualitätsprobleme. Dies kann dazu führen, dass sich Markeneigner ohne Verschulden mit steigendem Kundenservice, Beschwerdemanagement und Gewährleistung abkämpfen müssen.
Wie können Markenunternehmen und sonstige Markeninhaber sich bzw. ihre Marken zu schützen?
Mir ist es wichtig festzuhalten, dass Markeninhaber weltweit effektiv und schlagkräftig gegen den Online-Handel mit gefälschten Waren vorgehen können. Im Gegensatz zu den Strategien zur Bekämpfung von Fälschern in der realen Welt, muss im Internet allerdings zweigleisig gefahren werden: Dafür sind die Aktivitäten der Fälscher auf der werblichen Seite ebenso abzuwehren wie an den Vertriebspunkten. Entscheidend ist es, konsequent gegen die Täuschungsmanöver der Cyber-Kriminellen vorzugehen. Es kommt vor allem darauf an, die Machenschaften der Fälscher zu stören und es schwer zu machen, deren gefälschte Angebote zu finden. Das heißt, Hersteller sollten zum unbequemen Ziel für Fälscher werden und konsequent, wenn notwendig mit juristischem Nachdruck, verlangen, dass online identifizierte Fälschungen gelöscht werden. Alleine durch diese kompromisslose Haltung sinkt die Gesamtzahl der Verstöße meistens schon erheblich. Hersteller sind daher gut beraten, das Netz laufend mit professionellen Mitteln zu überwachen und zu bewerten und ihre Marken systematisch gegen Cyber-Angriffe zu schützen.
Und wie können sich Verbraucher gegen Markenpiraten und deren Angebote schützen?
Moritz: Verbraucher haben es in der Tat immer schwerer, kopierte Waren vom Original zu unterscheiden. Denn mittlerweile sind die Webseiten der Kriminellen so professionell aufgebaut, dass sie auch versierte Online-Käufer reinlegen können. Erschwerend hinzu kommt, dass die Kriminellen gelernt haben, die Produkte preislich so nah am Original auszurichten, dass sie leicht mit Sonderangeboten der Markenhersteller verwechselt werden können. Laut einer weltweiten Verbraucherstudie von MarkMonitor ist übrigens schon fast jeder vierte Konsument beim Online-Shopping auf Produkt-Piraten hereingefallen vor allem Markenprodukte wie Schuhe, Bekleidung, Elektronik-Artikel und digitale Inhalte stellen sich nach dem Kauf im Netz häufig als Fälschung heraus. Eine gewaltige Zahl an Betrogenen, wenn man bedenkt, dass laut der Studie mittlerweile mehr als ein Drittel der Verbraucher ihrer Einkäufe online erledigen. Das heißt aber nicht, dass Verbraucher sich nicht schützen könnten.
Gibt es Möglichkeiten, ein Fake-Angebot als solches zu erkennen?
Moritz: Oft lassen sich Piratenseiten schon an der URL erkennen, denn Online-Betrüger verwenden häufig den Namen der Originalmarke nur eben mit einem unauffälligen oder häufigen Tippfehler. Wichtig ist auch, dass https am Beginn der URL-Eingabezeile mit Beginn des Bezahlprozesses steht. Dies zeigt, dass es sich dabei um sichere Webseiten mit einem verschlüsselten Daten-Übertragungsprotokoll handelt. Im Gegensatz zu seriösen Anbietern scheuen Fälscher die Investition in https-Zertifikate. Auch lohnt sich für den Nutzer meist ein Blick auf Unterseiten wie Geschäftsbedingungen, Über uns, das Impressum oder Fragen und Antworten zu werfen: Anbieter mit betrügerischen Absichten investieren in der Regel keine Zeit, um klare Datenschutzregeln aufzustellen oder häufige Fragen zu beantworten. Das wichtigste Kriterium ist aber immer noch der Preis: Marken-Piraten ködern Online-Käufer über den Preis und das Versprechen, den besten Deal aller Zeiten zu bieten. Sollten Internet-Käufer also ein Angebot sehen, das zu verlockend klingt, sollten sie lieber die Finger davon lassen.