Verkaufen über Emotionen
Verkäufer müssen Kunden emotional erreichen
Ein Interview mit Ralf Koschinski
Gleich ob Produkt oder Service - nur eine Leistung, die verkauft ist, sorgt bei Unternehmen für wirtschaftliche Stabilität. Buchautor Ralf Koschinski, Entwickler der ratiomotion®-Methode, erklärt im Interview, warum Emotionen Musik in den Vertrieb bringen.
Herr Koschinski, ganz provokativ gefragt, gibt es nicht schon genügend Bücher auf dem Markt, die Verkäufern zeigen wollen, wie sie besser verkaufen?
Ralf Koschinski: Zugegeben, die meisten, die beruflich in diesem Metier unterwegs sind, kennen die Technik des Verkaufens durch die Lektüre zahlreicher Fachbücher oder den Besuch von Seminaren. Deshalb möchte ich in diesem Buch einen etwas anderen, ungewöhnlichen Blick auf dieses Thema werfen. Ich nehme die Leser mit auf eine kleine musikalische Reise über den Verkaufsprozess. Als ausgebildeter Trompeter weiß ich, wie man den richtigen Ton trifft. Als Verkäufer aus Berufung weiß ich auch, wie man sich richtig auf den Kunden und das Gespräch einstimmt. Als Mitglied eines Orchesters weiß ich, wie wichtig das Zusammenspiel ist das Zusammenspiel unterschiedlicher Instrumente, verschiedener Menschen, mannigfacher Fertigkeiten und Fähigkeiten. Ich weiß, dass Musik in welcher Variante auch immer nur dann wundervoll klingt, eine Komposition nur dann rund ist, wenn wir jeder Note in all ihren Facetten gerecht werden. Ebenso ist es im Verkauf: Erst wenn jedes Detail stimmt, wenn wir uns in jeder Phase verbessern, alles berücksichtigen, was hilft zu verkaufen, werden wir erfolgreich(er) sein. Das Buch soll dahingehend Leser dazu ermuntern, einzelne Phasen ihres Vorgehens mit bewusster emotionaler Spielweise, dem sogenannten emotionalen Verkaufen, zum beiderseitigen Verkaufserlebnis werden zu lassen.
Dazu haben Sie die ratiomotion®-Methode sowie den ratiomotion®-8E Verkaufsprozess entwickelt. Was verbirgt sich dahinter?
Koschinski: Der Verkauf wird von Zahlen geprägt ob es der Preis eines bestimmten Produkts ist inklusive Rabattstaffel, ob es bestellte Mengen oder bestimmte Abmessungen sind. Im Vertrieb zählen Jahresziele und bestimmen Umsatzprognosen die Anzahl der Neukundenkontakte sowie die gefahrenen Kilometer im Außendienst. Umgekehrt beweist die moderne Hirnforschung, wie sinnvoll es ist, sachliche Argumente und Produktstärken sowie Fakten und Zahlen mit menschlichen, individuellen und tiefsitzenden Bedürfnissen zu verknüpfen. Eines wird dabei immer deutlicher: Es ist wenig sinnvoll, sich alleine auf die Ratio zu konzentrieren, wenn nachweislich die Emotionen ausschlaggebender dafür sind, wie wir Entscheidungen treffen. Die ratiomotion®-Methode erleichtert es dem Verkäufer anhand acht festgelegter Schritte des Verkaufsprozesses, die komplexen Zusammenhänge zwischen Rationalität und Emotionen leichter einzuordnen und in seiner Verkaufstechnik anzuwenden.
Worum es geht ist also, Kunden emotional zu bewegen?!
Koschinski: Absolut. Es ist ein verbindendes Element zwischen Ratio und Emotion gefragt, wenn im Vertrieb tatsächlich Musik liegen soll, wenn neben der Vernunft und allen logisch sinnvollen Elementen auch der wichtige emotionale Part nicht zu kurz kommen soll. Die Leidenschaft des Verkäufers und die Begeisterung des Kunden haben sicherlich noch nie geschadet ganz im Gegenteil: Beide Faktoren sind wesentliche Bestandteile eines erfolgreichen Verkaufsgesprächs, eines lebendigen Verkaufsprozesses und demzufolge auch des Umsatzes und des Erfolgs. Nicht nur auf Verkäuferseite. Da der Verkäufer auf der beschriebenen technischen, von Zahlen geprägten Seite immer weniger Spielraum hat, wird er seine emotionalen Werkzeuge schärfen müssen. Wer zukünftig im Vertrieb Erfolg haben will, braucht neben einem gut geschnürten technischen Paket vor allem empathisches Charisma, Enthusiasmus und Durchhaltevermögen.
Der Verkäufer macht also weiterhin den Unterschied?
Koschinski: Machen wir uns nichts vor: Ein Wettbewerbsvorsprung hält nicht mehr lange. Längst gibt es einen anderen, der ein vergleichbares Produkt anbietet, eine ähnliche Dienstleistung offeriert. Nach welchen Kriterien soll und wird sich der Kunde also entscheiden? Wo oder besser bei wem wird er kaufen und das dauerhaft? Jeder Verkäufer hat die Möglichkeit, sein Gegenüber zu beeindrucken, für seinen Kunden wichtig und prägend zu sein. Er kann ermutigen, inspirieren und den Kunden bzw. Einkäufern andere, neue (emotionale) Erfahrungen bereiten. Es geht darum, für das Gehirn der Einkäufer bedeutsamer zu sein als die Wettbewerber, um somit die Chance zur Auftragserteilung zu erhöhen. Es reicht nicht mehr aus, nur seine technischen Informationen zu kommunizieren, um die Einzigartigkeit von Produkten, Systemen oder Dienstleistungen herauszustellen. Ganz einfach deshalb, weil sie nicht mehr einzigartig sind.
Sie gehen davon aus, dass Verkäufer alles über ihr Produkt/ihre Dienstleistung wissen und die bewährten Kenntnisse über die unterschiedlichsten Verkaufstechniken haben. Dann muss es also andere Erfolgshürden geben? Um welche handelt es sich konkret?
Koschinski: Zum einen ist es sicherlich die Anwendung der Verkaufstechniken in wirkungsvoller Qualität: Mit der Zeit schleift sich Routine ein. Verkaufsgespräche werden mehr heruntergespult als gelebt, Neukundentermine fast automatisch absolviert. Zum anderen ist es die fehlende emotionale Wirkung der Verkäufer, die sich mehr auf die technischen Fakten konzentrieren als auf den Menschen, der ihnen gegenüber steht, und dessen ganz speziellen Wünsche und Bedürfnisse. Schließlich arbeiten sie bereits seit vielen Jahren erfolgreich und fühlen sich sicher in dem, was sie tun und wie sie es tun.
Und auf welchem Niveau befinden sich die meisten Verkäufer momentan?
Koschinski: Da gibt es große und deutliche Unterschiede. Manche sind sicher auf dem Stand der Dinge, weil sie in den letzten Jahren kontinuierlich an diesen Themen gearbeitet haben. Einige wollen davon absolut nichts wissen, weil die Geschäfte doch nach wie vor ganz ordentlich laufen und überhaupt.
Aber man muss ja auch nicht jeden Trend mitmachen, oder?
Koschinski: Absolut richtig! Das muss man tatsächlich nicht. Man kann heute mit dem Wissen von gestern noch verkaufen. Die Frage ist nur, ob es auch für die Zukunft ausreichen wird. Gute Verkäufer werden sich am Puls der Zeit bewegen und sich die neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis aneignen. Sie setzen die Messlatte, und ob man als Verkäufer, der sich auf dem Wissen von gestern ausruht, den kontinuierlich steigenden Anforderungen weiterhin gewachsen sein wird, ist fraglich. Ich bin davon überzeugt, dass Verkäufer nur durch eine permanente Weiterentwicklung des eigenen Verhaltens und ihrer Fähigkeiten auch morgen noch hochwertigen Umsatz schreiben.
Was ist dafür Ihrer Meinung nach besonders wichtig?
Koschinski: Gut für die gemeinschaftliche Beziehung zum Kunden ist sicherlich Vertrauen. Empathisches Charisma schafft solches Vertrauen, womit Verkauf nicht mehr lästige Pflicht ist, sondern zur kunstvollen Kür wird. Ich komme hier noch einmal zurück zur Musik: Das Verkaufsgespräch ist dann keine Aufführung, sondern ein Konzert der Extraklasse. Wenn jeder Ton nicht nur technisch sitzt, sondern emotional mit Herzblut gespielt wird, ist es ein Hörgenuss. Wenn jedes Wort im Verkaufsgespräch nicht nur fachlich passt, sondern menschlich berührt und alle Sinne anspricht, folgt der Umsatz fast von alleine.
Ihr Buch soll Mut machen, sich einzulassen auf Stimmungen und Schwingungen von Verkäufer zu Kunde, von Mensch zu Mensch?
Koschinski: Ja, dabei kommt aber auch ein Faktor nicht zu kurz, der bei Musikern darüber entscheidet, ob sie erfolgreich sind oder nicht: die Disziplin im Üben und beim Spielen, die erst hervorragende Leistungen garantiert. Diese Disziplin brauchen auch Verkäufer von der gewissenhaften Vorbereitung auf jedes Gespräch bis hin zum regelmäßigen Training, das ermöglicht, auf mehreren Oktaven virtuos spielen zu können. Verbinden sich, wie bei einem Musiker, Leidenschaft und Disziplin, können Verkäufer leichter hervorragende Verkaufsergebnisse erzielen.